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Alt 21.02.2022, 20:36   #226
Face
Genickbruch
 
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Momentan ist das Thema ja wieder hochaktuell. Steuern wir auf den größten Krieg in Europa seit dem 2. Weltkrieg zu? Ist alles ein Bluff von Putin um sich viele Zugeständnisse des Westens herauszuholen? Will die NATO die Ukraine nutzen um Russland zu schwächen? Was passiert eigentlich wirklich in den östlichen Rebellengebieten? Ich sehe hier noch einige heiße Wochen auf uns zukommen, ehe das Frühlingswetter eine Entspannung bringen könnte wenn der tiefe, schlammige Boden eine Invasion sehr schwierig macht.
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Alt 21.02.2022, 20:57   #227
k-town1900
Schädelbasisbruch
 
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Ich weiß nicht genau was ich von dem ganzen Spektakel halten soll das Putin gerade abzieht. Auf der einen Seite wurde von der Nato nach Auflösung des Warschauer Pakt versprochen das es keine Osterweiterung gibt, jetzt steht die Nato quasi vor der russischen Grenze und der Hunger der Nato scheint immer noch nicht gestillt. Die EU rückt auch immer weiter Richtung Osten vor das dann ein Land wie Russland irgendwann mal die Schnauze voll hat konnte man sich denken gerade wenn da ein Machtmensch wie Putin im Chefsessel sitzt der auch in den noch kommunistischen Ländern immer mehr an Einfluss verliert.

Ich gehe davon aus daß es in den nächsten 1-3 Wochen knallt, Russland bekommt mit ein paar Sanktionen auf die Finger geschlagen weil die selbst ernannte Weltpolizei USA auch den Schwanz einzieht und in 1-2 Jahren redet kein Mensch mehr über den kleinen Krieg in Europa außer vielleicht in einer Doku hier und da.
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Alt 21.02.2022, 21:59   #228
rantanplan
Höllen-Rentner
 
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Zitat:
Zitat von k-town1900 Beitrag anzeigen
Ich weiß nicht genau was ich von dem ganzen Spektakel halten soll das Putin gerade abzieht. Auf der einen Seite wurde von der Nato nach Auflösung des Warschauer Pakt versprochen das es keine Osterweiterung gibt, jetzt steht die Nato quasi vor der russischen Grenze und der Hunger der Nato scheint immer noch nicht gestillt. Die EU rückt auch immer weiter Richtung Osten vor das dann ein Land wie Russland irgendwann mal die Schnauze voll hat konnte man sich denken gerade wenn da ein Machtmensch wie Putin im Chefsessel sitzt der auch in den noch kommunistischen Ländern immer mehr an Einfluss verliert.

Ich gehe davon aus daß es in den nächsten 1-3 Wochen knallt, Russland bekommt mit ein paar Sanktionen auf die Finger geschlagen weil die selbst ernannte Weltpolizei USA auch den Schwanz einzieht und in 1-2 Jahren redet kein Mensch mehr über den kleinen Krieg in Europa außer vielleicht in einer Doku hier und da.
Ich weiß ehrlich nicht, wo dieses "Versprechen" immer wieder herkommt. Es ging damals um den Übergangsstatus der ehemaligen DDR, nicht um Polen, die baltischen Staaten usw., da hat seinerzeit kein Mensch darüber nachgedacht, dass diese irgendwann mal der EG bzw. EU oder der NATO beitreten könnten. Dass selbstbestimmte Nationen dann aber irgendwann Interesse haben könnten und aus freien Stücken beigetreten sind, hat doch weder was mit "Hunger der Nato" noch mit mit "Vorrücken" zu tun.

Russland bietet hier außer für Diktaturen leider kein ansprechendes Angebot, im Gegenteil, es strahlt Bedrohung aus, deshalb rennen die ehemaligen Ostblockstaaten doch NATO und EU die Türe ein. Mit ausreichender Entwicklung könnte Russland doch selbst Beitrittskandidat für die EU und/oder die NATO werden. Wenn man stattdessen im Osten den Dackel von China spielen will und im Westen den großen Macker, dann kommt es halt zu solchen Situationen.
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Alt 21.02.2022, 22:23   #229
Duke Skywalker
Moderator
 
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Zitat:
Zitat von k-town1900 Beitrag anzeigen
Ich weiß nicht genau was ich von dem ganzen Spektakel halten soll das Putin gerade abzieht. Auf der einen Seite wurde von der Nato nach Auflösung des Warschauer Pakt versprochen das es keine Osterweiterung gibt, jetzt steht die Nato quasi vor der russischen Grenze und der Hunger der Nato scheint immer noch nicht gestillt. Die EU rückt auch immer weiter Richtung Osten vor das dann ein Land wie Russland irgendwann mal die Schnauze voll hat konnte man sich denken gerade wenn da ein Machtmensch wie Putin im Chefsessel sitzt der auch in den noch kommunistischen Ländern immer mehr an Einfluss verliert.

Ich gehe davon aus daß es in den nächsten 1-3 Wochen knallt, Russland bekommt mit ein paar Sanktionen auf die Finger geschlagen weil die selbst ernannte Weltpolizei USA auch den Schwanz einzieht und in 1-2 Jahren redet kein Mensch mehr über den kleinen Krieg in Europa außer vielleicht in einer Doku hier und da.
Das Lied wird auch von Wagenknecht 1:1 gesungen. Es gibt genau ein Land bzw. eine Bevölkerung, die zu entscheiden hat ob sie sich der EU und der Nato öffnet: Die Ukraine.
Putin muss im Ausland den starken Mann geben, weil er innenpolitisch ein Versager ist.
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Alt 21.02.2022, 22:34   #230
k-town1900
Schädelbasisbruch
 
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Das Versprechen der Nato ist in genügend Dokus dokumentiert und auch von Politiker beider Seiten die damals bei den Verhandlungen dabei waren bestätigt. Gorbatschow und seine Minister haben nur "vergessen" schriftlich eine Demarkatioslinie festzulegen.

Auf ZDF Info lief erst wieder eine Doku über die Geschichte der Nato und ob sie überhaupt noch gebraucht wird (zeitgemäß ist). Da ging es ua um die Absprachen was nach der Auflösung vom Warschauer Pakt passiert. Es stand wohl sogar im Raum die Nato mit dem Warschauer Pakt aufzulösen.

Für mich persönlich ist die Nato nicht mehr zeitgemäß sondern eine Bedrohung für den (Welt)Frieden. Ich finde es auch schwachsinnig und nicht mehr zeitgemäß idas jeder EU Staat sich seine eigene Armee hält.
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Alt 21.02.2022, 22:49   #231
Face
Genickbruch
 
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Aber es ist doch völlig schnuppe ob die NATO, die USA oder wer auch immer unmittelbare Nachbarn Russlands sind. Es würde doch niemand auf die dumme Idee kommen in Russland einzumarschieren. Die Bedrohung für Russland (oder eher Putin) ist doch nicht militärisch, sondern besteht einzig und allein darin, dass die Russen sehen könnten, dass es sich in einem freieren Land nach westlichem Vorbild besser leben lässt.
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Alt 21.02.2022, 23:04   #232
k-town1900
Schädelbasisbruch
 
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Ich möchte mal die Amis sehen wenn Russland ein neues Bündnis auf den Weg bringt in das Cuba, Mexiko, Peru, Chile,... beitreten würden. Die würden ganz genauso reagieren sah man ja auch bei der Cuba Krise obwohl natürlich die Vorraussetzungen noch andere waren weil der kalte Krieg noch heiß war.
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Alt 21.02.2022, 23:07   #233
CM Punkomaniac
Genickbruch
 
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Frankreich zog sich in den 1960er Jahren selbstbestimmt aus der militärischen Struktur der NATO für mehrere Jahrzehnte zurück und kehrte in den 2000er Jahren selbstbestimmt zurück.
Das Vereinigte Königreich trat in den 1970er Jahren selbstbestimmt in die EWG ein und trat selbstbestimmt aus der EU aus.

Die Ukraine als unabhängiger Staat hat sich dazu entschlossen, dass ihr Blick Richtung NATO und EU geht. Das fing schon in den 2000er Jahren an. Stand heute können 30 NATO-Staaten zustimmen oder 1 NATO-Staat kann blockieren. Stand heute können 27 EU-Staaten zustimmen oder 1 EU-Staat kann blockieren.

Bei den Beispielen Frankreich und Vereinigtes Königreich kamen keine Soldaten und Panzer zum Einsatz. Diese beiden unabhängigen Staaten entschieden sich dagegen und dafür, dafür und dagegen. Warum wohl schauen immer mehr Menschen in der Ukraine zum Beispiel nach Estland, Lettland und Litauen, sehen deren Mitgliedschaft in NATO und EU, und schauen zum Beispiel nicht nach Belarus und dessen Mitgliedschaft in OVKS und EAWU?

Diese Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit, wie manchmal über die Ukraine debattiert und philosophiert wird, ist unfassbar. Es geht um nichts anderes als um die Ukraine als Staat und nicht um das russische Zarenreich. Es geht um ukrainische Selbstbestimmung und nicht um russischen Kolonialismus. Warum es manche Friedensaktivisten und Antiimperialisten im Westen vor lauter Selbstzweifel und Sturheit nicht begreifen können - oder besser wollen. Diese unerträgliche ideologische Verunsicherung, weil es weder ein amerikanischer Krieg, noch der US-Imperialismus ist. Das ist ein 2014 gestarteter russischer Krieg - da ist kein Frieden. Russland ist der Imperialist - da ist kein Antiimperialismus.

"Aber was ist mit [hier ausfüllen]?" Der Whataboutism dringt zu mir nicht durch. Es geht um die Ukraine.

Geändert von CM Punkomaniac (21.02.2022 um 23:50 Uhr).
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Alt 21.02.2022, 23:21   #234
Duke Skywalker
Moderator
 
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Zitat:
Zitat von k-town1900 Beitrag anzeigen
Ich möchte mal die Amis sehen wenn Russland ein neues Bündnis auf den Weg bringt in das Cuba, Mexiko, Peru, Chile,... beitreten würden. Die würden ganz genauso reagieren sah man ja auch bei der Cuba Krise obwohl natürlich die Vorraussetzungen noch andere waren weil der kalte Krieg noch heiß war.
Es passiert aber nicht. Und wird auch nicht passieren. Ich finde diese Argumentation schon reichlich abenteuerlich. Genau wie dieses "wir müssen endlich mehr mit Russland reden".
Ich sehe eine Menge verzweifelte westliche Politiker, die versuchen einen Krieg zu verhindern...
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Geändert von Duke Skywalker (21.02.2022 um 23:24 Uhr).
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Alt 22.02.2022, 00:07   #235
rantanplan
Höllen-Rentner
 
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Zitat:
Zitat von k-town1900 Beitrag anzeigen
Das Versprechen der Nato ist in genügend Dokus dokumentiert und auch von Politiker beider Seiten die damals bei den Verhandlungen dabei waren bestätigt. Gorbatschow und seine Minister haben nur "vergessen" schriftlich eine Demarkatioslinie festzulegen.

Auf ZDF Info lief erst wieder eine Doku über die Geschichte der Nato und ob sie überhaupt noch gebraucht wird (zeitgemäß ist). Da ging es ua um die Absprachen was nach der Auflösung vom Warschauer Pakt passiert. Es stand wohl sogar im Raum die Nato mit dem Warschauer Pakt aufzulösen.

Für mich persönlich ist die Nato nicht mehr zeitgemäß sondern eine Bedrohung für den (Welt)Frieden. Ich finde es auch schwachsinnig und nicht mehr zeitgemäß idas jeder EU Staat sich seine eigene Armee hält.
Weil Gorbatschow "vergessen" hat, schriftlich eine Demarkationslinie festzulegen, kann er sich 2014 nicht mehr an dieses Versprechen erinnern?

Zitat aus der Zeit:
Zitat:
Der frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow hat der Darstellung widersprochen, ihm sei in Gesprächen über die deutsche Vereinigung ein Verzicht auf eine Ost-Erweiterung der Nato zugesagt worden. Bei den Verhandlungen 1990 sei dies kein Thema gewesen, sagte Gorbatschow dem heute-journal im ZDF. Er fügte hinzu: "Der Warschauer Pakt existierte doch noch. Die Frage stellte sich damals gar nicht."
Und selbst wenn, die Beteiligten hatten ja nicht einmal das Recht, über eine künftige Mitgliedschaft von Polen, den Balten usw. in der NATO zu entscheiden. Keine Ahnung, was du daran nicht verstehst, aber wenn unabhängige Nationen Mitglied in der NATO werden wollen, warum sollte es denen irgendwer verwehren, solange sie die Aufnahmekriterien erfüllen? Und ob Russland das gut oder schlecht findet, ist halt kein Aufnahmekriterium.
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Alt 22.02.2022, 00:39   #236
y2jforever
Genickbruch
 
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Putin schickt Truppen in Separatistengebiete. Er erkennt die beiden Seperatistengebiete als unabhängige Staaten an und spricht der Ukraine die "echte Staatlichkeit" ab. Das wird spassig.
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Alt 22.02.2022, 00:50   #237
rantanplan
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De facto eine Kriegserklärung Russlands an die Ukraine - wenigstens aus ukrainischer Sicht - oder sehe ich das falsch?
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Alt 22.02.2022, 06:27   #238
Der Zerquetscher
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Das hatte Putin schon die ganze Zeit vor. Deshalb auch das Desinteresse an Deeskalation oder Gesprächen (siehe München). Die Politik der kleinen Schritte und des Testens der Reaktionen der alliierten Gegnerschaft. Kennt man aus der Geschichte. Nicht nur einmal.

Putin steht innenpolitisch unter Druck. Die Wirtschaft seines korrupten Systems ist immer malader. Er hat seinem Volk nichts zu bieten, außer Nationalismus und plumpem Hurra-Kino. Im Gegensatz übrigens zu den Chinesen, die zwar nicht anständiger sind, aber wirtschaftlich extrem erfolgreich. Also sucht Putin auch nach dem desaströsen Katastrophenmanagement der Corona-Krise (in der seine Administration völlig versagt hat) nach einem Ventil für den Druck innerhalb der Gesellschaft unter seiner Diktatur. Einem Rally-round-the-flag-Phänomen, das die Bevölkerung möglichst wieder hinter der Regierung vereint. Auch wenn sowas nur kurzlebig ist. Stolz und Ehre. Wieder wer sein. Vaterländisch.

Das haben die Ukrainer jetzt davon, dass sie gutgläubig im Budapester Memorandum von 1994 daran geglaubt haben, ihr machtkomplexbehafteter Nachbar mit Weltmachtstreben würde langfristig ihre staatliche Souveränität anerkennen, wenn sie nur im Gegenzug ihre Atomwaffen (an den machtkomplexbehafteten Nachbarn mit Weltmachtstreben) abliefern. *Sarkasmus aus*. Selbstverständlich gebe ich der Ukraine keinerlei Schuld an der Situation derzeit. Frech von den Menschen dort, dass sie möglichst frei leben wollen. Ohne die Knute der russischen Regierung.

Biden hatte Recht. Putin ist ein Mörder. Und er hatte Recht. Putin ist ein Kriegstreiber. Aber diese Erkenntnis hat sich unter den lesenden, aufmerksamen Zeitgenossen seit Jahren durchgesetzt. Und ich muss ehrlich sagen, wenn ich in die Landschaft der deutschen "Linken" so reinblicke, dann ziehe ich den Hut. Da sehe ich keinen "sturen Antiamerikanismus", sondern eine klipp und klare Absage an Despotie und militärische Aggression. Egal, woher sie kommt. Jetzt muss sich noch in der Breite die Erkenntnis durchsetzen, dass Anständigkeit und Friedensliebe allein noch keinen Frieden garantieren, sondern dass dazu wohl oder übel auch militärische Druckmittel vonnöten sind. Stichwort Bundeswehr. Da reden sich Menschen wie ich nämlich seit Jahren den Mund fusselig.
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Der Zerquetscher ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.02.2022, 06:36   #239
CM Punkomaniac
Genickbruch
 
Registriert seit: 15.02.2011
Beiträge: 31.593
Putin hat offiziell die Entsendung von russischen Soldaten angekündigt und russische Soldaten überschreiten offiziell die Grenze zur Ukraine; marschieren in ukrainisches Gebiet ein, ohne dass die ukrainische Regierung in Kiew dem zustimmte. Das ist eine Invasion. Und jetzt ist es keine Invasion mit "kleinen, grünen Männchen" ohne Abzeichen wie bei der Halbinsel Krim - das war die erste Invasion. Das ist jetzt eine offizielle Invasion - die zweite Invasion. Wenn da jetzt, bei der zweiten Invasion, echt noch verzweifelt nach irgendeinem Strohhalm gesucht wird, um irgendwie vor lauter Differenzierungswahnsinn noch einen Ausweg zu finden - da bricht das Rückgrat. Wie offensichtlich muss Putin es noch machen? Soll er eine Atombombe auf Kiew schmeißen, damit es eventuell vielleicht unter Umständen nach einer aggressiv anmutenden möglichen Handlung aussehen könnte, die zutiefst beunruhigend ist? Das ist Krieg. Seit 2014 zwar, aber jetzt hämmert einem Putin ja die Soldaten ins Gesicht. Übersehen kann man das jetzt nicht mehr - es sei denn, man verdreht sich das Genick vor lauter Wegschauen, weil Sanktionen auch ungemütlich für den eigenen Staat sind.
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Alt 22.02.2022, 08:45   #240
Sirius
Genickbruch
 
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Purin will "seine Sowjetuinion" zurück haben, in der allein Moskau das sagen hat. In den asiatischen Republiken sichert er sich diesen Einfluss, in dem er seine Männer in Position bringt, wie zuletzt in Kasachstan. An der Ukraine will er ein Exempel statuieren und schauen wie weit er gehen kann bevor er auf Widerstand stößt. Ein offener Krieg kann allerdings nicht in seinem Interesse sein. Die Frage ist allerdings wie weit wird er gehen? Das er auch gerne das Baltikum zurück hätte und Osteuropa als Puffer zwischen sich under Nato ist kein Geheimnis.

Es wird auch immer wieder über "Russlands Sicherheit" gesprochen. Die Sicherheit der anderen Staaten und ihre Selbstbestimmungsrecht (welches übrigens auch von Russland annerkannt wurde) scheinen da keine Rolle zu spielen. Neben Putins Politik ist es auch die Geschichte, die Osteuropa Richtung Westen treibt. Staaten wie Polen oder die baltischen Demokratien haben unter Moskaus Knute mehr als einmal gelitten.

Das ganze Verhalten von Russland in der Ostukraine erinnert doch sehr stark an Deutschlands Annektion der Sudetengebiete in den 30er Jahren. Am Ende stand, bei allem Appeasement dann doch noch der Einmarsch und die Unterjochung des tschechischen Teils der damaligen Tscheschoslowakei.

Wenn ich Sarah Wagenknecht bei Anne Will sehe denke ich mir: "Standen die Linken nicht mal für Antiimperealismus und Frieden?" Aber scheinbar ist die Moskau-Treue schon mit der Muttemilch aufgenommen worden, egal welche Kommunisten, Imperealisten, Faschisten oder sonstwelche -isten im Kreml das Sagen haben.
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Geändert von Sirius (22.02.2022 um 09:37 Uhr).
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Alt 22.02.2022, 20:02   #241
rantanplan
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Zitat:
Zitat von Der Zerquetscher Beitrag anzeigen
Biden hatte Recht. Putin ist ein Mörder. Und er hatte Recht. Putin ist ein Kriegstreiber. Aber diese Erkenntnis hat sich unter den lesenden, aufmerksamen Zeitgenossen seit Jahren durchgesetzt. Und ich muss ehrlich sagen, wenn ich in die Landschaft der deutschen "Linken" so reinblicke, dann ziehe ich den Hut. Da sehe ich keinen "sturen Antiamerikanismus", sondern eine klipp und klare Absage an Despotie und militärische Aggression. Egal, woher sie kommt. Jetzt muss sich noch in der Breite die Erkenntnis durchsetzen, dass Anständigkeit und Friedensliebe allein noch keinen Frieden garantieren, sondern dass dazu wohl oder übel auch militärische Druckmittel vonnöten sind. Stichwort Bundeswehr. Da reden sich Menschen wie ich nämlich seit Jahren den Mund fusselig.
Die Amerikaner haben diese militärischen Druckmittel - und setzen sie zum Glück bisher nicht ein. Sind nicht Sanktionen, wie sie jetzt geplant und umgesetzt werden, das Mittel der Wahl?

Mich würde interessieren, warum du in einer Bundeswehr als Druckmittel einen relevanten Unterschied in dieser Situation siehst. Was könnten wir jetzt anders oder besser machen, wenn wir in den letzten 20 Jahren das 2%-Ziel erreicht hätten und die Bundeswehr vielleicht auch insgesamt besser gemanaged hätten, als das tatsächlich der Fall war?
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Alt 22.02.2022, 20:39   #242
Erwin
Schädelbasisbruch
 
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Gibt es eigentlich in Kaliningrad was zu holen? Laut Putins Argumentation ist das ja nicht wirklich russisch, sondern auch nur ein Konstrukt, das nach dem Ende eines Staates entstanden ist. Dann könnten wir Deutschen uns das auch zurückholen.

Putin wird auch nicht nur die Ukraine im Auge haben, sondern auch Estland, Lettland und Litauen - und das sind Staaten der NATO und der EU! Als ich vor einigen Jahren in Riga war, konnte ich mich mit einem Letten unterhalten, der hatte damals schon Angst, dass es ihnen genauso geht wie den Ukrainern, mit separatistischen Russen im Land und wie er es nannte einem "Krieg der Informationen".
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Alt 22.02.2022, 21:31   #243
Riddler
Schädelbasisbruch
 
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Russland/Putin möchte schlichtweg einen (oder mehrere) Hafen, welcher nicht ständig vereist ist und unter russischer Kontrolle steht.
Putin nutzt diese schon fast jahrhundertealte Sehnsucht, um sich vor allem innenpolitisch zu stärken.

Diese Pseudoargumentation mit NATO-Osterweiterung oder, dass der Staat Ukraine nur künstlich erschaffen sei, sind mMn nur politische Störfeuer, die der Ablenkung dienen sollen.

Entscheidend wird jetzt sein, wie UNO und NATO reagieren. Wir können nur hoffen, dass es möglichst wenige menschliche Verluste geben wird.
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Alt 23.02.2022, 07:59   #244
Der Zerquetscher
Moderator
 
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Zitat:
Zitat von rantanplan Beitrag anzeigen
Die Amerikaner haben diese militärischen Druckmittel - und setzen sie zum Glück bisher nicht ein. Sind nicht Sanktionen, wie sie jetzt geplant und umgesetzt werden, das Mittel der Wahl?

Mich würde interessieren, warum du in einer Bundeswehr als Druckmittel einen relevanten Unterschied in dieser Situation siehst. Was könnten wir jetzt anders oder besser machen, wenn wir in den letzten 20 Jahren das 2%-Ziel erreicht hätten und die Bundeswehr vielleicht auch insgesamt besser gemanaged hätten, als das tatsächlich der Fall war?
Doch, natürlich sind die (möglichst heftigen!) Sanktionen im Moment das Mittel der Wahl. Auch die USA riskieren keinen direkten Konflikt mit Putin für ein Nicht-Nato-Land im direkten Dunstkreis Russlands. Aber es geht eben nicht nur um die Ukraine. Putin will mehr. Er sagt es ja inzwischen ganz offen selbst. Er will wieder das, was einst Großmacht war. Und dazu gehören nicht nur Länder wie Aserbaidschan, Weißrussland, die Ukraine oder Kasachstan, sondern auch das Baltikum. Und das ist unzweifelhaft Europa und sogar NATO-Gebiet.

Jetzt kann man natürlich hergehen und auf die Atomwaffen zeigen. So nach dem Motto, diese Länder (Lettland, Estland, Litauen) wird sich Putin nicht holen, denn "dann gäbe es doch Atomkrieg". Aber - gäbe es den? Gäbe es den wirklich? Gäbe es nicht weit vorher konventionell geführte Auseinandersetzungen? Mit Panzern, Drohnen und infanteristischem Kampf? Und noch davor hybride Kriegsführung, Infiltration und Subversion? Ich denke schon. Putin ist clever. Er fährt die Politik der kleinen Schritte. Und sieht, was passiert und wohin sie ihn bringt. Und unsere Bundeswehr ist, wie ich das als Offizier der Bundeswehr aus Erfahrung weiß und hier seit Jahren predige, nicht einsatzfähig. Kleinste Unternehmungen wie die Evakuierung weniger Personen aus einem Krisenstaat stellen die BW jedes Mal vor logistische Probleme, die man oft nur lösen kann, indem man das Ausland um Hilfe bittet. Schon Ende der 90er wurden in einem KRK-Bataillon (PzGrenBat 112 Regen) zwei Panzer ausgeschlachtet, um zwei andere Panzer im Einsatz (Kosovo) am Laufen halten zu können. Mit den Helikoptern ist die Quote, wie ich oft gehört habe, noch schlimmer. Weil damals schon kein Geld da war. Und heute, nach zwanzig Jahren, sieht es noch wesentlich schlimmer aus. Das kann doch alles nicht wahr sein. Und wir diskutieren hier in Deutschland in seliger Ignoranz der Sachlage, ob deutsche Drohnen Waffen tragen dürfen. Da fasse ich mir nur noch an den Kopf bei soviel politischer Unreife, Unwissen und Unvernunft. Als wäre ein Artilleriegeschoss, das von weit her irgendwo einschlägt und detoniert, irgendwie etwas Besseres und für Zivilisten sicherer als eine mit einer Kamera über dem Ort des Ziels schwebende Drohne. Aber ich fange gar nicht erst an. Putin wird es jedenfalls freuen, wenn wir Deutschen in unserem umnachteten Dornröschenschlaf von einer besseren Welt träumen. Die wird nämlich vorerst nicht kommen. Außer als Schimäre. Die Geschehnisse von vorgestern Abend sind dafür beredtes Zeugnis.
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Geändert von Der Zerquetscher (23.02.2022 um 08:06 Uhr).
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Alt 23.02.2022, 10:42   #245
Nani
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Hier wurden schon eine Menge kluge Sachen geschrieben, auf die ich nur kurz eingehen möchte. Die NATO als Aggressor zur stilisieren ist absurd. Dafür ist die NATO viel zu harmlos. Die militärischen Supermächte sind in den 2020ern immer noch die großen Staaten USA, Russland, China usw.

Quetschies mieses Gefühl über den Zustand der deutschen Bundeswehr teile ich. Meiner alte Leier. Auf öffentliche Güter wird in diesem Land schon seit Jahrzehnten gepflegt geschissen, was sich selbst dann nicht ändert, wenn man wieder einen Denkstempel bekommt (Bildungskrise, Gesundheitskrise, jetzt Ukraine-Krise). - Natürlich wäre es schöner, wenn wir in einer klugen Welt leben würden, in der Militär nicht notwendig ist. Aber schauen wir uns doch mal die globale Realität an. Selbst die sich moralisch permanent selbstbeweihräuchernden Amis nutzen noch immer gerade dieses Mittel, um politischen Druck auszuüben, gescheiterte Innenpolitik zu übertünchen oder knallhart-imperialistisch anderen Ländern die Politik vorzuschreiben. Deutschland ist mE auch nur deshalb so zahnlos, weil wir schon lange am Rock der Amis hängen (bzw. die DDR am Rock der SU) und das bis vor kurzem im Konzert der Weltpolitik von diesen Ländern gerngesehen wurde. Die Linken unseres Landes sind in der Hinsicht zwar tatsächlich größtenteils Traumtänzer, aber die hatten in den letzten 40 Jahren ja nun wirklich nicht viel zu sagen.

Ich stimme daher auch zu, dass es Putin hier v.a. um sein Ansehen geht. Vielleicht sogar noch mehr und noch gefährlicher. Der Mann wird alt. Er wirkt körperlich nicht mehr tough, seine Fähigkeiten nehmen ab und nach all den Jahren am Hebel der Macht nimmt für gewöhnlich auch die Sorge darüber ab, was nach einem kommt. Alte Männer entrücken sich gern von der Menschlichkeit und verhärten geistig. Als Folge dessen schicken alte Männer sehr gern junge Männer in Krieg und Tod. Ironischerweise, weil sie selbst den Tod nicht mehr so sehr fürchten (müssen), denn sie sind eh nicht mehr weit davon entfernt.
Darum bin ich in dieser Angelegenheit auch sehr pessimistisch. Zum einen, weil ich Putin - im Gegensatz zu vor 10 Jahren - alles zutraue. Zum anderen, weil er innenpolitisch ein Versager ist.

Das sage ich, obwohl ich nie ein Putin-Gegner war. Natürlich ist der Mann ein skrupelloser Mörder und Machtmensch. Zwar klug, aber auch korrupt und autokratisch. In dem Zusammenhang muss man aber auch sehen, wie autokratiegeil die russische Gesellschaft ist. Das Land steckt im Geist immer noch mehrheitlich in der Zarenzeit fest. Anstelle der Monarchie kamen irgendwann Pseudo-Kommunisten an die Macht, die statt einer Kronendiktatur eine Parteidiktator durchgesetzt haben. Spätestens mit Stalin - den ich menschlich auf Augenhöhe mit Hitler sehe - wurde das zementiert. Als man dann irgendwann den ersten und einzigen "demokratischen" Präsidenten mit Gorbatschow bekam, hat dieser aus Sicht der Russen ihr Weltreich zerstört. Das hat sich in die Köpfe eingebrannt. Auch wenn es absurd ist, denn das Land war schon vorher kaputtgewirtschaftet worden und es war halt mal wieder der "Ehrliche", der am Ende die Schuld bekam.
Die Mehrheit der Russen wünschen sich also einen starken Führer. Putin hat diese Rolle lange Zeit erfüllt. Aus Sicht des Westen hätte es auch deutlich schlimmer kommen können, denn immerhin hat er seinen kluge, harte Führung "nur" dafür genutzt, sich und seine Freunde zu bereichern, wobei das Land zurückgefallen ist. Mit ihrem Potenzial wäre Schlimmeres drin gewesen.

Leider ist dieser Scherbenhaufen nun genau das, was einen Flächenbrand begünstigen könnte. Das einzige was die russische Politik in den letzten Jahrzehnten produziert hat, sind arme, wütende, harte Jungs, die gern die Waffe in die Hand nehmen um ihre Umstände zu verbessern. Dabei macht es ihnen auch nichts aus, dass diejenigen die sie in den Krieg schicken, dieselben sind, die sie zu armen, harten Jungs ohne Perspektive gemacht haben. Das alte nationalistische Erfolgsrezept. Mörder schaffen Mörder, die sie auf ihre Feinde loslassen.

Früher oder später wird alles explodieren. Nicht nur, weil Putin immer weiter machen wird. Nicht nur, weil Russland auch ohne Putin ein Krisenherd ist. Sondern, weil es keinen stabilisierenden Faktoren gibt. USA und EU sind gespalten und demontieren sich zunehmend selbst. Die praktizierte moralische Reife der Weltbevölkerung steht im bitteren Kontrast zu unserer moralischen Erwartungshaltung an andere. Statt Sozialgesellschaften sind wir Ego-Gesellschaften aus Konsum und Gier. Selbst im Angesicht von globalem Systemversagen wird fast schon religiös nur für Eigeninteressen gekämpft. Wir leben im Zeitalter der Sucht, die uns fast komplett handlungsunfähig macht.
Welche Alternative soll man den Russen denn unter diesen Umständen bitte bieten? Die anderen gesellschaftlichen Konzepte sind doch ebenfalls dabei zu scheitern. Solange es keinen positiven Präzedenzfall in dieser Welt gibt, wird sich die Abwärtsspirale weiter nach unten drehen.

Meine Oma hat immer gesagt, sie hofft, dass wir keinen Krieg erleben müssen. Leider ist diese Hoffnung genauso naiv wie der Wunsch, die Kinder mögen ohne Narben durch das Leben kommen.
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Alt 23.02.2022, 11:32   #246
Goldberg070
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Hier wurden schon eine Menge kluge Sachen geschrieben, auf die ich nur kurz eingehen möchte. Die NATO als Aggressor zur stilisieren ist absurd. Dafür ist die NATO viel zu harmlos. Die militärischen Supermächte sind in den 2020ern immer noch die großen Staaten USA, Russland, China usw.

Quetschies mieses Gefühl über den Zustand der deutschen Bundeswehr teile ich. Meiner alte Leier. Auf öffentliche Güter wird in diesem Land schon seit Jahrzehnten gepflegt geschissen, was sich selbst dann nicht ändert, wenn man wieder einen Denkstempel bekommt (Bildungskrise, Gesundheitskrise, jetzt Ukraine-Krise). - Natürlich wäre es schöner, wenn wir in einer klugen Welt leben würden, in der Militär nicht notwendig ist. Aber schauen wir uns doch mal die globale Realität an. Selbst die sich moralisch permanent selbstbeweihräuchernden Amis nutzen noch immer gerade dieses Mittel, um politischen Druck auszuüben, gescheiterte Innenpolitik zu übertünchen oder knallhart-imperialistisch anderen Ländern die Politik vorzuschreiben. Deutschland ist mE auch nur deshalb so zahnlos, weil wir schon lange am Rock der Amis hängen (bzw. die DDR am Rock der SU) und das bis vor kurzem im Konzert der Weltpolitik von diesen Ländern gerngesehen wurde. Die Linken unseres Landes sind in der Hinsicht zwar tatsächlich größtenteils Traumtänzer, aber die hatten in den letzten 40 Jahren ja nun wirklich nicht viel zu sagen.

Ich stimme daher auch zu, dass es Putin hier v.a. um sein Ansehen geht. Vielleicht sogar noch mehr und noch gefährlicher. Der Mann wird alt. Er wirkt körperlich nicht mehr tough, seine Fähigkeiten nehmen ab und nach all den Jahren am Hebel der Macht nimmt für gewöhnlich auch die Sorge darüber ab, was nach einem kommt. Alte Männer entrücken sich gern von der Menschlichkeit und verhärten geistig. Als Folge dessen schicken alte Männer sehr gern junge Männer in Krieg und Tod. Ironischerweise, weil sie selbst den Tod nicht mehr so sehr fürchten (müssen), denn sie sind eh nicht mehr weit davon entfernt.
Darum bin ich in dieser Angelegenheit auch sehr pessimistisch. Zum einen, weil ich Putin - im Gegensatz zu vor 10 Jahren - alles zutraue. Zum anderen, weil er innenpolitisch ein Versager ist.

Das sage ich, obwohl ich nie ein Putin-Gegner war. Natürlich ist der Mann ein skrupelloser Mörder und Machtmensch. Zwar klug, aber auch korrupt und autokratisch. In dem Zusammenhang muss man aber auch sehen, wie autokratiegeil die russische Gesellschaft ist. Das Land steckt im Geist immer noch mehrheitlich in der Zarenzeit fest. Anstelle der Monarchie kamen irgendwann Pseudo-Kommunisten an die Macht, die statt einer Kronendiktatur eine Parteidiktator durchgesetzt haben. Spätestens mit Stalin - den ich menschlich auf Augenhöhe mit Hitler sehe - wurde das zementiert. Als man dann irgendwann den ersten und einzigen "demokratischen" Präsidenten mit Gorbatschow bekam, hat dieser aus Sicht der Russen ihr Weltreich zerstört. Das hat sich in die Köpfe eingebrannt. Auch wenn es absurd ist, denn das Land war schon vorher kaputtgewirtschaftet worden und es war halt mal wieder der "Ehrliche", der am Ende die Schuld bekam.
Die Mehrheit der Russen wünschen sich also einen starken Führer. Putin hat diese Rolle lange Zeit erfüllt. Aus Sicht des Westen hätte es auch deutlich schlimmer kommen können, denn immerhin hat er seinen kluge, harte Führung "nur" dafür genutzt, sich und seine Freunde zu bereichern, wobei das Land zurückgefallen ist. Mit ihrem Potenzial wäre Schlimmeres drin gewesen.

Leider ist dieser Scherbenhaufen nun genau das, was einen Flächenbrand begünstigen könnte. Das einzige was die russische Politik in den letzten Jahrzehnten produziert hat, sind arme, wütende, harte Jungs, die gern die Waffe in die Hand nehmen um ihre Umstände zu verbessern. Dabei macht es ihnen auch nichts aus, dass diejenigen die sie in den Krieg schicken, dieselben sind, die sie zu armen, harten Jungs ohne Perspektive gemacht haben. Das alte nationalistische Erfolgsrezept. Mörder schaffen Mörder, die sie auf ihre Feinde loslassen.

Früher oder später wird alles explodieren. Nicht nur, weil Putin immer weiter machen wird. Nicht nur, weil Russland auch ohne Putin ein Krisenherd ist. Sondern, weil es keinen stabilisierenden Faktoren gibt. USA und EU sind gespalten und demontieren sich zunehmend selbst. Die praktizierte moralische Reife der Weltbevölkerung steht im bitteren Kontrast zu unserer moralischen Erwartungshaltung an andere. Statt Sozialgesellschaften sind wir Ego-Gesellschaften aus Konsum und Gier. Selbst im Angesicht von globalem Systemversagen wird fast schon religiös nur für Eigeninteressen gekämpft. Wir leben im Zeitalter der Sucht, die uns fast komplett handlungsunfähig macht.
Welche Alternative soll man den Russen denn unter diesen Umständen bitte bieten? Die anderen gesellschaftlichen Konzepte sind doch ebenfalls dabei zu scheitern. Solange es keinen positiven Präzedenzfall in dieser Welt gibt, wird sich die Abwärtsspirale weiter nach unten drehen.

Meine Oma hat immer gesagt, sie hofft, dass wir keinen Krieg erleben müssen. Leider ist diese Hoffnung genauso naiv wie der Wunsch, die Kinder mögen ohne Narben durch das Leben kommen.
Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, von deinem Statement ist einfach jedes Wort wahr...
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"Wenn du so dumm bist, und AfD wählst... todeslost sein Urgroßvater!" ~Rezo 2021
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Alt 23.02.2022, 12:06   #247
Face
Genickbruch
 
Registriert seit: 30.03.2001
Beiträge: 30.644
Ganz würde ich den Part mit der Zarenzeit und dem Wunsch nach einem russischen Großreich nicht unterschreiben. Gerade die größeren Profiteure der Putinschen Politik sind relativ westlich orientiert und können mit dem Großmachtdenken nicht so viel anfangen. Die Russen haben einen enormen Brain-Drain und wirtschaftlich werden sie sowieso schon lange vom Rest der Welt abgehängt, weil sie außer Rohstoffen eigentlich nichts zu bieten haben. Also ja, eine große Menge kann mit Weltmachtfantasien etwas anfangen, aber nein, eine durchaus große Menge hat darauf null Bock, kann aber in Putins Reich das nur sehr eingeschränkt äußern und wenn es ihnen reicht, sind sie eben ganz weg.

Insofern stimmt wohl die Analyse des sterbenden Reiches das unglücklicherweise historisch noch einen großen Militärapparat unterhält (der aber wohl auch nur teilweise modern ist) und daher machtpolitisch derzeit noch eine größere Rolle spielen kann, als ihm eigentlich zusteht.
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Alt 23.02.2022, 13:15   #248
Nani
Höllen-Rentner
 
Registriert seit: 02.12.2003
Beiträge: 15.682
Zitat:
Zitat von Face Beitrag anzeigen
Ganz würde ich den Part mit der Zarenzeit und dem Wunsch nach einem russischen Großreich nicht unterschreiben. Gerade die größeren Profiteure der Putinschen Politik sind relativ westlich orientiert und können mit dem Großmachtdenken nicht so viel anfangen.
Mehrheit bedeutet ja nicht alle. Ich habe eine russische Kollegin, die ist intelligent und liberal (und anti-Putin). Ich kenne aber auch einige kluge Russen, bei denen die Sehnsucht nach scheinbarer Stärke stärker ist als Kriterien der Vernunft. - Letztlich tragen die mundtoten und emigrierten Klugen natürlich zu den russischen Verhältnisses bei.

Was Putins Mitprofiteure angeht, die stehen auf einem anderen Blatt. Solche Leute glauben ja selten die Narrative, mit denen sie die Menschen steuern. Bei Putin sind bspw. viele konservative Ansätze mE eher Masche, um seine Leute gegen die liberale Welt zu polarisieren und dabei altmodisch völkisch zu wirken. Das dürfte für viele seiner Mitprofiteure gelten. Wasser predigen, Wein saufen.

Geändert von Nani (23.02.2022 um 13:41 Uhr).
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Alt 24.02.2022, 05:41   #249
Johnny Bravo
Schädelbasisbruch
 
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Beiträge: 4.901
Der russische Angriffskrieg hat begonnen. Unfassbar. Mir fehlen die Worte.
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König der Dummen - Corona Edition
Filsener Dorfmeister '17 & '18
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Alt 24.02.2022, 05:54   #250
Charlie Harper
WM-König 2022
 
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Beiträge: 30.846
Unfassbar traurig
Putin sagt auch: "Jeder der sich versucht einzumischen oder mehr noch, eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass Russlands Antwort sofort erfolgen und zu solchen Konsequenzen führen wird, wie Sie sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben!"
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