In dieser Rubrik findet ihr 687 Interviews mit Wrestlern und Offiziellen, die im Laufe der Jahre auf Genickbruch veröffentlicht wurden. 75 der hier gelisteten Befragungen wurden exklusiv von Genickbruch-Mitarbeitern durchgeführt.
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Exklusivinterview mit Bret Hart
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Er war einer DER Superstars des Wrestling der frühen 90er Jahre. Im Oktober 2007 veröffentliche Bret Hart seine Autobiographie "Hitman: My Real Life in the Cartoon World of Wrestling", und nun stand der mehrfache Champion Genickbruch.com für ein Exklusivinterview zur Verfügung. In einem sehr persönlichen Telefonat mit GB-Mitarbeiterin Miss Socko sprach der Hitman über sein Buch, seine Karriere und vieles mehr.
Zuerst einmal vielen Dank im Namen des gesamten Teams von Genickbruch.com, dass du uns die Zeit für ein Interview gewährst. Für mich ist es eine große Ehre, mit dir sprechen zu können. Vielen Dank. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich in Deutschland so viele Fans habe und werde sie nie vergessen.
Einige von unseren Lesern werden das vielleicht nicht wissen, doch du hattest 2002 einen Schlaganfall, und deine Genesung war sehr mühsam. Deshalb zuerst die wichtigste Frage: Wie geht es dir heute? Mir geht es gut. Es war für mich ein außergewöhnliches Jahr. Die Veröffentlichung meiner Autobiographie war für mich ein großer Schritt, an dem ich 7 Jahre lang gearbeitet habe. Ich habe mir große Mühe gegeben, so ehrlich und interessant wie möglich zu schreiben. Die ganze Publicity hat viel Kraft gekostet, zudem habe ich dieses Jahr einige gute Freunde verloren. Zuerst der Tod von Crush, der ein wirklich guter Freund war, dann diese Tragödie um Chris Benoit und dessen Familie und zum Schluss dann auch noch meine Scheidung, die mir doch sehr nahe ging. Doch im Moment geht es wieder besser... Man kann es mit meinen Wrestlingmatches vergleichen... Ich habe mich selber wieder aus dem Sumpf gezogen. Im Moment arbeite ich an meinem zweiten Buch, das sehr wahrscheinlich ein Roman wird.
Ein Roman? Ja genau, ich wollte mich an was neuem versuchen.
Das ist großartig zu hören! Ich wollte dir sowieso zu deiner Autobiographie gratulieren. In Europa ist das Buch leider noch nicht erhältlich, doch ich habe es mir aus Kanada bestellt. Es ist wirklich großartig geworden, und ich konnte es fast nicht zur Seite legen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ab nächstem Herbst in Deutschland erhältlich sein wird. Ich möchte, dass alle meine deutschen Fans die Chance erhalten, das Buch zu lesen und so meinen Lebensweg besser zu verstehen.
Wie ist es eigentlich, seine eigene Autobiographie zu schreiben? Immerhin hattest du eine lange und großartige Karriere und für mich war es sehr interessant, dies alles noch einmal nachzulesen. Ich denke, die ganze Arbeit war gut für meine Seele. Ich konnte mich auf diese Art von allem befreien... All den Erinnerungen, den großen Momenten, aber auch Dinge, die ich bereut habe. Das Buch ist... oder besser gesagt, die meisten Menschen finden das Buch eher traurig, doch ich persönlich denke eher, dass viele traurige Dinge passiert sind. Über die meisten Ereignisse in meiner Karriere bin ich aber dankbar. Ich habe es immer geliebt, der Wrestlingcharakter Bret „Hitman“ Hart zu sein, da er für mich einer der realistischsten Charaktere von allen war. Er war der einzige reale Charakter... Nicht mein persönlicher, aber wie soll ich sagen... Er war eine Art reale Person. Einige Leute behaupten, ich hätte alles geglaubt, was ich in dieser Rolle tat, doch das stimmt nicht... Vielleicht wollte ich es glauben. Ich wollte das Gimmick glaubhaft gestalten.
Ich glaube, dies war auch eine Stärke des Hitman, dass er nicht cartoonartig und austauschbar rüber kam. Es gibt einige, die ein Gimmick besaßen und es änderten, wenn sie z.B. in eine andere Promotion wechselten, doch du warst immer Bret Hart. Besonders in Europa warst du so beliebt wie fast nirgendwo. Woran glaubst du liegt das? Ich glaube nicht, dass es hier nur eine richtige Antwort gibt. Es war eine Mischung aus vielem. Zu der damaligen Zeit entdeckten europäische Wrestlingfans erst so richtig das amerikanische Wrestling, vor allem die damalige WWF. Das englische und deutsche Wrestling war immer etwas trocken und farblos und so konnten sie sich für diese neue Art des Wrestlings mit Musik und Lichteffekten immer mehr begeistern. Es entstand damit eine ganz neue Wrestlingwelt für europäische Fans. Hulk Hogan war der erste Wrestler, mit dem sie in Kontakt kamen, doch meiner Meinung nach war er nicht mehr präsent genug um die Herzen dieser Fans zu gewinnen. Natürlich glaube ich, dass sie Hulk Hogan liebten, doch er war bereits auf seinem Höhepunkt angelangt und zog sich immer mehr zurück. Dies gab mir die Gelegenheit, seinen Platz einzunehmen. Die Zeit für die europäischen Fans war reif, sich nach einem Champion umzusehen, mit dem sie sich identifizieren konnten. Meine Wrestlingart und mein Aussehen – sexy und doch aggressiv, ähnlich wie Michael Jackson mit Lederjacke. All dies komplettierte meine Art, und ich denke, ich war zur rechten Zeit am rechten Ort. Was ich besonders an meinen europäischen Fans liebe, ist die Tatsache, dass sie mich liebten und bis heute nicht damit aufgehört haben. Sie liebten mich auf die Art, wie ich war und haben mich nie vergessen. Sie mochten mich genauso, wie ich war.
Du hast gesagt, dass du dir viel von der Seele geschrieben hast mit deiner Autobiographie. Du hast auch gesagt, dass manche Leute das Buch traurig finden, aber mein Gefühl am Ende war eher, dass du damit auch vielleicht irgendwie deinen Frieden mit der Vergangenheit gemacht hättest. Nachdem du einige Leute gelobt und einige wiederum sehr offen kritisiert hast, frage ich mich, welche Reaktionen du von deinen ehemaligen Kollegen bekommen hast. Da ist noch nicht viel zurückgekommen. Mick Foley hat mich vor ein paar Wochen angerufen und mir gesagt, dass er das Buch sehr mochte. Er hat mir ein paar wirklich nette Komplimente dazu gemacht. Aber außer von ihm habe ich noch von niemandem etwas gehört. Ich habe das Buch an einige Wrestler geschickt, wie Steve Austin, Roddy Piper, King Kong Bundy oder Jim Neidhart, aber die haben sich noch nicht gemeldet. Ich glaube auch nicht, dass sie es werden. Einige von den Leuten werden sich vielleicht nicht so sehr darüber aufregen, während andere das schon tun werden. Ich glaube aber nicht, dass ich zu viel über den Charakter der Leute gesagt habe, ich habe nur Situationen beschrieben, die tatsächlich so stattgefunden haben, und man kann sich daraus seine eigene Meinung bilden, denke ich. Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht bei den Dingen über meine Familie oder Freunde, und ob es OK wäre, dies oder jenes so oder so darzustellen, aber im Endeffekt bereue ich eigentlich kein einziges Wort in diesem Buch. Und sollten irgendwelche Wrestler ein Problem damit haben, dann können sie mir den Buckel runterrutschen. Es ist mir wirklich egal, was sie davon halten. Ich hoffe natürlich, dass sie es mögen.
Ich hoffe, dass Wrestler wie Bundy oder Jim Neidhart das Buch lesen und die Reise in die Vergangenheit schätzen, dass sie sich an all die Dinge zurückerinnern, und dass das Buch auch ihre eigenen Erinnerungen wieder weckt. Ich denke, das Buch ist anregend, eine Möglichkeit, sich daran zurückzuerinnern, wie hart wir alle gearbeitet haben. Ich war damals ja nicht der einzige, der hart gearbeitet hat. Da waren viele Wrestler, die wirklich hart gearbeitet haben und diesen schweren Terminplan eingehalten haben, und ich finde es wichtig, die Wahrheit zu dokumentieren. Ich denke, die Wahrheit wird im Wrestling viel zu oft ausgelöscht, um darum herum eine künstliche Storyline zu machen und so zu tun, als ob niemand Bescheid wüsste, was im Wrestling wirklich vor sich geht. Wenn man mein Buch liest, dann erfährt man endlich die Wahrheit über das Wrestling. Das ist etwas, das meiner Meinung nach bisher schmerzlich gefehlt hat bei allen Büchern, die ich über Wrestling gelesen habe. In den letzten Jahren sind all diese Bücher erschienen... Hulk Hogans Buch zum Beispiel, das war wohl das schlechteste Buch, das jemals von einem Wrestler geschrieben worden ist. Diamond Dallas Page und all diese Leute kommen mit ihren Autobiographien daher, aber sie erzählen darin nicht die Wahrheit. Sie werfen nur einen Haufen Namen hin und erfinden Geschichten über ihre Kindheit und so, aber ich glaube nicht, dass das irgendwen interessiert. Die Leute wollen die Geschichte über den Wrestler wissen.
Ja, ich habe die vielen Details ganz besonders genossen und die vielen kleinen Geschichten von hinter den Kulissen und von deinen Reisen. Könntest du uns vielleicht eine Geschichte erzählen, die dir besonders gefallen hat? Vielleicht etwas, das dich zum Lachen gebracht hat beim Schreiben? Oh, da gibt es einige. Ich mochte die Geschichte über diesen Midget-Wrestler immer gerne, dem wir das Fell an den Kopf geklebt haben, Little Wolf-Man, oder „Wolfie“, wie wir ihn nannten. Das war in Stampede-Wrestling und eine Geschichte darüber, wie emotional er war. Es war einfach eine lustige kleine Wrestling-Anekdote. Davon gab es viele. Ich mag auch die Geschichte mit Jim Neidhart, King Kong Bundy und mir, als wir um Madison Square Garden herumgefahren sind um den Fans zu entgehen, und wie wir versehentlich wieder zurück in dieselbe wütende Menge gefahren sind, und das ganze Spiel ging von neuem los. Die Fans haben an die Scheiben getrommelt und versucht, unser Auto umzukippen. Das war einfach irgendwie lustig. Das Leben als „bad guy“ war manchmal wirklich lustig...
Weißt du, in Wirklichkeit war mein Manuskript zwei Mal so lang wie das schließlich veröffentlichte Buch. Ich hatte weit über 1100 Seiten und sie mussten das auf 553 Seiten zusammenstutzen. Sie haben mit dem Editieren wirklich gute Arbeit geleistet, aber ich habe noch eine ganze Menge weiterer Geschichten. Ich weiß nicht, ob die jemals für irgendetwas anderes verwendet werden, aber da sind noch mehr als 500 Seiten voller Geschichten, mehr Details und Sachen über andere Länder und so.
Ich persönlich hätte nichts gegen weitere ein-zweitausend Seiten gehabt. [lacht] Tja, man kann nie wissen. Vielleicht veröffentlichen sie eines Tages eine erweiterte Version. Ich habe noch eine Menge Geschichten und viele Dinge, die man vielleicht einmal in einem zweiten oder dritten Buch verarbeiten könnte. Ich finde, es tut mir gut, offen meine Meinung sagen zu können. Wenn The Rock ein Filmstar werden kann, dann könnte ich vielleicht ein Autor werden.
Nun, Mick Foley ist diesen Weg gegangen, also... Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg mit deinem Roman! Worüber schreibst du denn? Ich möchte gerne einen historischen Roman schreiben, vielleicht etwas, das in Italien spielt, nachdem mich mit dem Platz einige Erinnerungen verbinden. Aber das ist derweil nur eine Idee, ich habe noch keinen fixen Plan. Ich denke, in ein paar Monaten werde ich dann einen Entwurf haben und eine Gliederung. Dann weiß ich auch, worum es in meinem Buch gehen wird, ein Thema, und vielleicht muss ich nach Europa kommen zum Recherchieren. Das könnte lustig werden. Vielleicht komme ich auch nach Deutschland. Ich würde gerne wieder nach Deutschland kommen.
Oder nach Österreich? Oder in die Schweiz? Ja, ich vermisse alle diese Orte wirklich. Ich würde da gerne überall wieder hinfahren. Manchmal geben mir diese Fan-Wrestlingshows Gelegenheit dazu, dass ich rauskomme und wieder ein bisschen mit Fans zusammenkommen kann. Ich mochte diese Dinge immer sehr gerne, und ich bin noch immer der Meinung, dass ich die besten Fans in Europa und speziell in Deutschland hatte. Sie waren leidenschaftlicher dort und liebten mich wirklich. Ich habe das nie vergessen und immer versucht, mit den Fans dort in Kontakt zu bleiben. Obwohl die Erinnerung an mich schon lange verblasst ist, werde ich meine Fans dort nie vergessen. |
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